Es gibt Kunstwerke, die ihr Geschichtewerden deutlich ausdrücken, weil sie, mit aller Evidenz, wenn auch umgestaltend, an vorbestehende Ausdrucksformen anknüpfen.
Dies ist der Fall des künstlerischen Schaffens von Antonio Paolillo, das mit neuen und originellen Akzenten seinen Ursprung in den antiken Kunstmanifakturen der südamerikanischen Kulturen findet, die der Künstler mit einer völlig persönlichen Sensibilität wieder aufnimmt. Auf diesem Weg tritt eine propositive Vorstellungskraft in plastisch skandierten Formen zu Tage, die von Skulptur-Malerei sprechen lassen.
In der Tat wendet Paolillo anthropomorphe, an archaischem Kulturecho reiche Formen an, um einen emotionellen Zustand auszudrücken: dem des Menschenpaares und der Liebe, mit einer einbeziehenden Expressivität, die bei einer beharrenden Betrachtung auch den Betrachtenden mit einbezieht.
Der von den Werken Paolillos begangene Weg betrifft hingegen vor allem die Ausdrucksweise, wobei den figurativen Anhaltspunkten seiner Werke einzig die Funktion expressiven Vorwandes zufällt.
Der Vorgang eines Wiederaufgreifens der Formen, und somit auch jener der Ansprache auf den Betrachter, ist jedoch einzig der Malerei anvertraut, durch welche der Künstler formales Geschehen aufkommen lässt, welches nur das Anrecht auf Kontemplation fordert.
In diesem Sinne erklärt Paolillo einfach seinen Willen zu Malerei und Skulptur in Antwort auf einen Drang zur Expression, in welcher er sich dem Impuls zum Existentialwert hin zu entziehen weiss, wie es bei jedem Kunst- und Poesie-Ereignis geschieht.
Der Ausdruck „Pacha“ steht als Synonym für Beziehung und Gegenseitigkeit, sowohl räumlich als auch zeitlich. Räumlich verdeutlicht Pacha die enge Beziehung zwischen den 3 Ebenen des mythologischen Universums und des Lebensraumes der Andengesellschaft: Alajpacha oder Alaapacha ist der Himmelsraum oder die Oberwelt, Kaipacha oder Acapacha ist die Zwischenwelt oder die Welt in der wir leben, und Mancapacha ist die Unter- oder Innenwelt. Die drei „Pachas“ decken sich mit einem bekannten, greifbaren Raum, in welchem sich die räumlichen Beziehungen in einem hergestellten Gleichgewicht verkörpern. Den Konflikt zwischen Gut und Böse, Paradies und Unterwelt, Himmel und Hölle gibt es nicht, aber eine von gegenseitiger Unterstützung gekennzeichnete, kontinuierliche Beziehung, wie sie täglich zwischen Sonne und Mond oder Tag und Nacht sichtbar wird, welche doch nie als um die Vorherrschaft über das Dunkel oder das Licht kämpfende Wesen verstanden werden.
Es existiert immer eine enge Beziehung, in welcher sich die verschiedenen Kräfte gegenseitig unterstützen, so wie dies in den solidarisch-kollektivistischen Gesellschaften üblich ist.
„Pacha“ ist auch ein Synonym im zeitlichen und nicht nur im räumlichen Sinn, da es als zyklisches Zeit-Kontinuum angesehen wird, in welchem jeder einzelne Augenblick in Verbindung und in Funktion zu dem nachfolgenden steht. Wie der Raum so teilt sich auch die Zeit in drei Ebenen, welche sich innerhalb eines Sonnenjahres abwechseln: Thaya Pacha oder die kalte Jahreszeit, Jallu Pacha oder die Regenzeit und Lupi Pacha oder die warme Jahreszeit. Thaya Pacha, Jallu Pacha und Lupi Pacha bewegen sich in einem Kreis, welcher auf den Wechsel der Jahreszeiten und die Bahnen der Himmelskörper Bezug nimmt und so die Feiertage legitimiert, die auf festgesetzte, sich wiederholende Tage fallen. Das Wort „Pacha“ steht nicht für einen endlosen Raum oder eine unendliche Zeit, sondern für eine Aufeinanderfolge von sich unendlich wiederholenden, sich aufeinander beziehenden Augenblicken. Wenn das Jüngste Gericht in der christlichen Mythologie die Zeit mit dem Ende der Welt beendet, bestimmt in der andinischen wie auch in der mesoamerikanischen Mythologie das Ende einer Epoche den Beginn einer neuen Epoche, in einer kreisförmigen, sich stets wiederholenden Bewegung.
Vernissage Samstag 9. Dezember 2017, 18:00 Uhr